Törnbericht BR 08/2017: New York - Halifax, Teil 3

Törn New York – Halifax vom 19.04.-13.05.2017
Skipper: Joachim Sauer
Crewmitglieder: Ann, Bärbel, Klaus, Reinhard
Teilbericht Tag 10-14

Montag, 1.05.2017

Lyman Morse Wayfare

Nebel, Nieselregen und lausig kalt – so beginnt für uns der 1. Mai. Wir legen trotzdem ab und müssen nach kurzer Zeit Platz für einen Frachter machen, der mit deutlich höherer Geschwindigkeit und mit Lotsenboot flussabwärts dem Atlantik entgegenstrebt.
Mit Kurs NE geht es unter Motor in Richtung Camden, unserem nächsten Ziel. Segeln ist erneut mangels Wind Fehlanzeige, langsam aber sicher kommt Frust auf!! Der Nebel begleitet uns weiterhin. Routinemäßig spulen wir Wachwechsel nach Wachwechsel runter, doch stets starren wir alle gegen eine dicke Nebelwand. Die unzähligen Bojen der Fischer, die damit ihre am Meeresgrund liegenden Lobsterfallen markieren, erfordern unsere volle Aufmerksamkeit.
Und so geht es weiter in die Nacht hinein...

 Dienstag, 2.05.2017

In der Nacht überrascht uns kurzzeitig ein Winddreher um 100 Grad, gleichzeitig frischt er auf bis zu 27 Ktn. auf! Eine Regenfront zieht durch. Ganz allmählich geht die Störung vorüber und die übliche Wetterlage aus schwachem Gegenwind und Nebel stellt sich wieder ein.
Zwischen Allen Island und Monhegan Island steuern wir das empfohlene Fahrwasser an und steuern über den Two Bush Channel zwischen Lobsterbojen und in dickem Nebel Camden an.
Erst kurz vor dem wahrlich idyllischen Ort lichtet sich der Nebel etwas und wir machen am Steg der Lyman-Morse-Wayfare Marina fest. Die Marina ist empfehlenswert: herzlicher Empfang (sogar vom Chef persönlich), hilfsbereite Mitarbeiter, erstklassische Sanitärräume sowie Waschmaschinen und Trockner finden wir vor.
Nach einer warmen Dusche nehmen wir alle eine Mütze voll Schlaf. Am Abend gehen wir zum Abendessen im Ort. Leckere Fischgerichte beim Abendessen in Camden lassen den Nebelfrust etwas vergessen.
Mittwoch, 3.05.2017

Unglaublich, wir erwachen bei Morgensonne! Nicht zu fassen, es geht hier anscheinend auch ohne Nebel!
Ann und Joachim besorgen einen Mietwagen, mit dem wir unseren Landausflug nach Bar Harbour und in den Acadia-Nationalpark unternehmen. Ganz offensichtlich kommen wir in der „Vorsaison": Viele Geschäfte und Lokale sind noch geschlossen, jede Menge Häuser werden renoviert. Im Visitor Center des Parks erfahren wir, dass im Oktober die Hölle los ist: Unzählige Kreuzfahrtschiffe stauen sich auf Reede und tausende Touristen „überfallen" den Ort samt Park. Da sind wir doch froh, in der Vorsaison hier zu sein.
Bar Harbour ist ein reiner Touristenort, den man nicht unbedingt sehen muss. Camden ist auf alle Fälle die bessere Wahl. Vom Cadillac Mountain im Park haben wir einen klasse Rundblick auf die zerklüftete Küste von Maine. Irgendwie lässt die schwedische Schärenküste grüßen...

Acadia Nationalpark

 Da wir morgen nach Kanada aufbrechen wollen, beschließen wir, den Tag mit Lobster zu beenden. Das Glück ist uns hold: kurz vor Camden finden wir direkt am Wasser eine urige Lobsterkneipe, die der Fischer selbst betreibt. Lobster, clams, fries und vegetables munden samt dem gereichten „Lobsterbier" erstklassig. Ein tolles Ende eines schönen Tages.

Lobsterkneipe

Donnerstag, 4.05.2017
Heute steht der lange Schlag nach Yarmouth an. Nach dem Frühstück geht's noch flux an die Tankstelle um Diesel zu bunkern. Man weiß ja nie ...
Das Wetter meint es heute gut mit uns, denn wir haben Sonne und – unglaublich - auch Wind! Wir werfen noch einen wehmütigen Blick zurück auf Camden und motoren im Fahrwasser Richtung Monroe Island. Gegen Mittag kommt der lang ersehnte Moment: Wir ändern den Kurs auf 120 Grad und setzen Segel. Mit Wind der Stärke 3 und geringer Welle machen wir bis zu 7 KN über Grund. Sofort steigt die Laune an Bord, jeder hat ein breites Grinsen im Gesicht! Und so geht es angenehm weiter Richtung Neuschottland, wenn da nicht die unzähligen Bojen wären, an denen die Lobsterfallen hängen. Respektvoll umfahren wir diese Hindernisse.
Am Abend gibt es Spaghetti Bolognese und wir segeln genussvoll in die Nacht hinein. Erst gegen vier Uhr morgens ist der Wind so schwach, dass wir den Motor wieder anwerfen. Unglaublich, wir sind 81 sm gesegelt! Gibt's das auch noch?
Freitag, 5.05.2017
Um 9.00 kommt unser Ziel nahe und wir bergen das Groß, welches wir noch als Stützsegel nutzten. Der Blick auf die Küste bei der Einfahrt in den Main Channel signalisiert uns Einsamkeit und raue Landschaft. Schließlich machen wir außen am Steg der Killam Brothers Marina fest. Wir sind in Kanada angekommen und sind erneut die ersten Gäste. Der Hafenmeister kam gerade vor zwei Stunden an, die komplette Infrastruktur ist noch außer Betrieb.

Killam Brothers Marina

Der Nachtschlag war angenehm, doch sehr kalt. Gemeinsam genießen wir ein schönes Frühstück an Bord. Ann nimmt Kontakt mit dem Zoll auf. Kurz danach kommen 3 Grenzer an Bord, um die Zollformalitäten abzuwickeln. Das Prozedere ist angenehm entspannt, die Dame und ihre zwei männlichen Kollegen spulen ihr Pflichtprogramm ab. Ansonsten interessieren sie sich mehr für unsere Berichte über das Leben der BRIGANTIA. Gespannt lauschen sie den Erzählungen über fremde Länder und die dort gemachten Erfahrungen. Ob sie wohl jemals nur einen Teil davon erleben werden?
Bei einer ersten Tour durch den Ort wird uns die Abgeschiedenheit und auch die Armut der Gegend bewusst. Hier wohnen? Nein danke! Dummerweise sagt der Wetterbericht Starkwind bis zu 43 KN und heftige Regenfälle voraus. Deshalb sind wir von Camden rechtzeitig abgereist und sitzen jetzt in dieser gottverlassenen Gegend fest.
Wir machen das Beste daraus, gehen im ersten Haus am Platze zum Abendessen (mit Livemusik) und nehmen im Yarmouth Pub noch einen Absacker. Zwei Frauen aus dem Ort unterhalten die Gäste mit Karaoke, gelegentlich unterstützt vom Wirt und Gästen. Echt gekonnt! Bei Gesprächen mit Lobsterfischern erfahren wir vieles über deren Arbeit und ganz nebenbei, dass ein Boot in einer Schicht rund 200 Lobster aus dem Wasser holt. Da unten muss es von solchen Viechern nur so wimmeln!
Nach ein paar Bieren bzw. Whiskey inmitten dieser illustren Gesellschaft geht's zufrieden in die Koje und wie bestellt kommt die angekündigte Schlechtwetterfront an.


Fortsetzung folgt...