Törnbericht BR 14/2017: Sault Ste Marie - Bayfield Teil 1
Lake Superior – „der Boss" der großen Seen
Vorgeschichte
Die Suche nach neuen Segelrevieren ist Bestandteil unserer Satzung. Es wird aber immer schwieriger, solche zu finden. So kam es, dass wir uns zu etwas Außergewöhnlichem entschieden: die Großen Seen (Great Lakes) im Zentrum von Nordamerika. Im April 2016 startete die BRIGANTIA in Neustadt an der Ostsee zu ihrer langen Fahrt. Über Europa, die Kanaren, Kapverden, Karibik, Bermudas, New York, Halifax erreichte sie am 13. Mai 2017 mit Törn BR 09/2017 den Sankt-Lorenz-Strom. Und da lag es, unser neues Segelrevier, von wo aus sich die Großen Seen erschließen lassen! Mit seinen 580 km ist er der drittgrößte Fluss in Nordamerika und entwässert die Großen Seen zum Atlantik. Der Sankt-Lorenz-Strom bildet zunächst die Grenze zwischen der kanadischen Provinz Ontario und dem US-Bundesstaat New York, um dann die Provinz Québec zu durchqueren. Starke Strömungen und reger Schiffsverkehr verlangten von unseren Skippern und Crews vollen Einsatz, um ihn zu durchfahren.
Die Großen Seen mit den Wracks des großen Sturms von 1913
Quelle: Wikipedia
Das Revier
Zu den Großen Seen gehören:
• Eriesee (Lake Erie)
• Huronsee (Lake Huron)
• Michigansee (Lake Michigan)
• Oberer See (Lake Superior)
• Ontariosee (Lake Ontario)
Der maximale Höhenunterschied zwischen den einzelnen Seen liegt bei circa 150 Meter. Den größten Teil davon bilden die Niagarafälle zwischen dem Erie- und dem Ontariosee mit zahlreichen Schleusen. Sie stellten besondere Anforderungen an Skipper und Crew des Törns BR 12/2017 von Toronto nach Detroit. Aufgrund ihrer Größe sind die Gezeiten bemerkbar. Der Michigansee liegt als einziger der Großen Seen vollständig in den USA, die anderen vier liegen entlang der kanadisch-US-amerikanischen Grenze. Dieser Umstand hat bei der Planung viel Zeit in Anspruch genommen, da sichergestellt werden muss, dass alle Vorschriften der Ein-bzw. Ausklarierung für Schiff und Crews beachtet werden. Angesichts der gründlichen Vorbereitung mag mancher denken: was soll der ganze Trubel? Es sind ja nur Süßwasserseen! Dass die Seen nicht zu unterschätzen sind, zeigt sich am großen Sturm von 1913. Diese Naturkatastrophe war die folgenschwerste, die das Gebiet der Großen Seen heimgesucht hat. Mehr als 250 Personen starben und 19 Schiffe wurden zerstört, weitere liefen auf Grund. Der finanzielle Schaden durch die gesunkenen Schiffe betrug fast 5 Millionen US-Dollar (in heutigen Preisen rund 123 Millionen US-Dollar). Darin schlug die vernichtete Fracht mit rund einer Million US-Dollar zu Buch, insgesamt rund 68.300 Tonnen Kohle, Eisenerz und Getreide.
Es kommt in diesem Gebiet immer wieder zu Stürmen mit gemessenen Windgeschwindigkeiten von bis zu 145 km/h und Wellen mit einer Höhe von mehr als 11 m. Die kurze Wellenperiode lies so manches Schiff auseinanderbrechen, zahllose Wracks liegen auf dem Grund. Darunter befinden sich auch Frachtschiffe von über 300 Metern Länge. Ein Museum am Whitefish Point (Lake Superior) dokumentiert diese Katastrophen anschaulich.
Die Vorbereitung
Mit einer Fülle von Vorab-Informationen beginnt vor einem Jahr die Planung zu unserem Lake Superior Törn BR 14/2017, der in Sault Ste Marie (Michigan, USA) starten und in Bayfield (Wisconsin, USA) enden soll.
Wer im Zusammenhang mit dem Lake Superior an den Bodensee denkt, ist schnell eines Besseren belehrt. Er ist der größte der fünf Großen Seen Nordamerikas sowie das nach dem Kaspischen Meer flächenmäßig zweitgrößte Binnengewässer der Erde, man nennt ihn deshalb respektvoll „The Boss". Durch ihn verläuft die Grenze zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten. Sein Wasserspiegel liegt auf 184 m, die Gesamtfläche entspricht etwa der Größe Österreichs (82.103 km²). Seine größte Tiefe beträgt 406 m, vom nördlichsten Punkt bis zum südlichsten beträgt die Entfernung 290,2 km, die größte Ost-West-Ausdehnung beträgt 599,6 km. Die größte Insel im See ist die Isle Royale, von Süden ragt die Keweenaw-Halbinsel weit in den See hinein.
Quelle: Wikipedia Die Soo Locks
Der Lake Superior fließt über den Saint Marys River in den Huronsee ab und ist damit Teil des Wasserweges der Großen Seen. Die Stromschnellen auf diesem Fluss erfordern Schleusen, die Soo Locks bei Sault Ste. Marie, damit Schiffe die acht Meter Höhenunterschied zum Huronsee überwinden können. Diese Herausforderung wartete gleich zu Beginn auf uns.
Nachdem die Crew feststeht, besprechen wir in drei Crew-Treffen die Einreiseformalitäten, die notwendige Ausrüstung, den Proviantplan, die Aufgaben an Bord, die Kojenverteilung und die einzelnen Stationen der Route. Sie führt von Sault Ste Marie über Whitefish Point, Grand Marais (Michigan), Munising, Marquette, Houghton, Washington Hbr. (Isle Royale), Grand Marais (Minnesota), nach Bayfield (Wisconsin). Was die Schreibtischarbeit auflockert: Wir üben vorab auf dem Bodensee Bergemanöver, denn bei Wassertemperaturen von unter 10 ° C bleibt uns auf dem Lake Superior nicht viel Zeit zum Bergen eines über Bord gegangenen. Jeder Griff muss sitzen. Das Tragen einer Rettungsweste ist auf dem gesamten Törn obligatorisch. Die Notwendigkeit steht für alle an Bord außer Frage.
Zur Detailplanung werden nun die notwendigen Revierunterlagen besorgt. Neben den offiziellen Revierführern und Seekarten sind eine Fülle von Informationen hilfreich, die im Internet zur Verfügung stehen. Hierzu zählen: Der Waterway Guide, der US NOAA Coast Pilot Volume 6 sowie die ausgezeichneten Revierunterlagen und WEB-Seminare des Great Lake Cruising Club (GLCC). Damit ich an die Unterlagen des GLCC gelangen kann, bin ich dort Mitglied geworden. Neben einem Engländer bin ich nun das einzige Europäische Mitglied dieses Vereins. Einen mir verliehenen Clubstander setzen wir natürlich während des Törns zusätzlich zur GfS-Flagge.
Die vorgesehene Route wirft bei genauerem Hinsehen Fragen auf: Wann werden die Hebebrücken angehoben, wie ist die dazugehörige Prozedur, reicht die Durchfahrtshöhe unter den Starkstromleitungen mit dem nötigen Sicherheitsabstand für uns aus? Zusätzlich sind die Durchfahrtsregeln der Schleusen in Sault Ste Marie wichtig, da man entweder mit den großen 300- Meter-Pötten rund um die Uhr durch die amerikanischen Schleusen bzw. nur zu eingeschränkten Zeiten durch die wesentlich kleinere historische kanadische Schleuse fahren kann. Endgültig klären wir diese Fragen vor Ort. Auch die Frage nach ausreichender Wassertiefe in den einzelnen Liegeplätzen und Marinas kann nur teilweise telefonisch vorab geklärt werden. Zumindest der Großteil der Liegeplätze wird von uns übers Internet bzw. fernmündlich reserviert. Dies ist in manchen Marinas erst ab Beginn der Saison im Mai möglich. Da manche Ziele bis zu 80 sm auseinanderliegen, würde der Ausfall eines Liegeplatzes möglicherweise zu einem Nachttörn führen und den Törnplan durcheinanderbringen.
Fortsetzung folgt....