BR15-14 Nuuk, Grönland - Reykjavik

Nuuk – Reykjavík
Nach unserem GfS-Törn von Tromsø nach Reykjavík (2010) ließen Gudrun Witzler und Uli Johann die Idee nicht mehr los, weiter nach Grönland zu segeln. Viel Überzeugungsarbeit und sorgfältige Planung waren nötig, bis sich drei Crews auf den Weg von Halifax über St. Anthony und Nuuk nach Reykjavík machten.
Unsere Strecke bildete den Abschluss dieses Törns. Wir übernahmen die „Brigantia“ in Nuuk, von da aus ging es durch die Davis Strait entlang der Westküste Grönlands nach Süden, durch den Prinz-Christian-Sund und über die Dänemark-Straße nach Reykjavík.

                         image1 Bild: Uli Johann

Nordatlantikfahrten bildeten für alle Seefahrer  eine besondere Herausforderung, nicht immer endeten sie in der Vergangenheit glücklich. Oft versperrten Nebel, Eis und schweres Wetter geplante Wege. Viele Schiffe gingen verloren.Unsere „Brigantia“, gutmütig, stark, bestens ausgerüstet, hoch belastbar, ist für solche Reisen sehr gut geeignet.Unsere Crew bestand ausschließlich aus hochseeerfahrenen Seglerinnen und Seglern, die gut abschätzen konnten, worauf sie sich hier einließen. Alle waren dem Skipper vorher gut bekannt. Wir waren eine glückreiche Crew.
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Bild 2: Gudrun Witzler, Ulrike Schmalz, Bernhard Studer, Uli Johann, Peter Bergander, Friedhelm Schumacher, Michael Schumann

 

Glück alleine funktioniert nicht, man braucht auch eine sorgfältige Planung. Und die hatten wir.
Fünf Jahre lang haben wir alles gelesen, was wir über Grönland in die Finger bekommen konnten.Was bleibt nach einiger Zeit, wenn die Euphorie des Erlebten abgeklungen und einer etwas nüchternen Betrachtung Raum gibt. Wodurch zeichnet sich dieser Törn aus?Felsige Bergwelt mit steilen Strukturen umgeben die Hauptstadt Nuuk. Eine interessante Inselwelt mit teilweise engen Passagen liegt zwischen der Stadt und der Davis Strait. Bei herrlichem Wetter durchfahren wir diesen Bereich. Nebelbänke vor uns verschwinden, sobald wir uns ihnen nähern. Eine für uns unerwartete Erscheinung.

image3 Bild 3: Bernhard Studer

Draußen erwarten uns Eisberge unterschiedlicher Mächtigkeiten und Formen. Es ragt nur 1/8 des Gesamtvolumens aus dem Wasser und das ist immer noch haushoch!

 image4Bild 4: Peter Bergander

Uns umgeben wirklich respekteinflößende Gebilde, teilweise mit eigenen Wasserfällen auf der Sonnenseite. Ulis Drohne überfliegt die Eisberge, zeigt uns die gewaltigen Dimensionen und ermöglicht uns auch einen Blick auf den Unterwasserbereich.Die Großen lassen sich leicht im Radar erkennen, die Kleinen bedrohen uns. Wenn ein kleiner, nur knapp sichtbarer 3-Tonner uns berührt…? Es ist lebensgefährlich, ohne Sicht zu fahren.Wir übernachten vor Anker in großartigen Fjordlandschaften allerdings in Gesellschaft von schwimmenden und gestrandeten Eisbergen. Was geschieht, wenn das Wasser steigt und sich durch die Tide bewegt? Sind wir in Gefahr? Wir müssen völlig neue Optionen in unsere Überlegungen einbeziehen.
Zusätzlich erleben wir ein besonderes Schauspiel. Nordlichter beleuchten unsere Ankerbucht in Kangarlussuk. Ein friedliches, grandioses Schauspiel.
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Bild 5: Peter Bergander

Kein Wind, keine Annäherungen eines Eisbergs, absolut friedliche Nächte.In ruhiger dunkler Nacht lassen wir, ohne schützende Bucht, das Schiff auf hoher See zwischen großen und kleinen Eisbergen treiben. Alles treibt gleich schnell mit derselben Orientierung, die Relativgeschwindigkeit zwischen uns und dem Eis ist Null und somit besteht keine Kollisionsgefahr.Kein Wind, kein Segeln, wir nutzen jede Gelegenheit um Diesel zu bunkern.Unsere Fotografen nutzen die Tage. Landschaften, Eisberge, Eissturmvögel, Robben, Wale, alles gibt es im Überfluss bei ruhiger See und bester Sicht. Grönlands Westküste mit ihren Ortschaften zeigt ihr freundliches Gesicht.Ohne Information über den Anleger pirschen wir uns im Slalom um Eisberge an die Versorgungspier von Frederiksdal heran. Natürlich erregen wir Aufmerksamkeit an diesem sehr abgelegenen Ort. Zuerst kommen die Kinder, dann die Erwachsenen. Eine sprachgewandte Einwohnerin zeigt und erklärt uns den Ort und ihre Wohnung. Ihr ganzer Stolz, eine Pfaff-Nähmaschine. Mit dieser verdient sie ihren Lebensunterhalt. Die Männer fischen, Dänemark liefert per Schiff Waren für den täglichen Gebrauch und holt auch den Müll ab, der in Bigpacks bereits auf der Pier steht. 

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Bild 6: Michael Schumann

Uli und Peter entern einen Eisberg und liefern Eis auf die Brigantia.

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Bild 7: Michael Schumann

Es gibt ausnahmsweise  “Whisky on the Rocks”. Das Dingi bleibt in dieser Nacht außenbords. Falls erforderlich wollen wir es zwischen Eisberg und Schiff legen.Unser Plan, den Prinz-Christian-Sund zu durchfahren, erfordert Informationen über die Eislage an der Ostküste. Wir nutzen dazu per UKW die Infos von Grönlands Küstenwache und der „MS Northern Star“, die uns entgegen kommt. Jeder weist uns darauf hin, dass die Situation sich stündlich ändern kann, im Moment aber positiv ist.
 Wir fahren in den Sund und erleben bei bestem Wetter eine unbeschreiblich beeindruckende Welt aus steilen, sehr hohen Felswänden, Wasserfällen und Eisbergen.
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Bild 8: Bernhard Studer

Einen ruhigen, sicheren Übernachtungsplatz zu finden wie im Sværdfisken Havn, ist nicht leicht. Die Schichtung aus Süßwasser, Gletscherschliff und Salzwasser macht das Echolot unbrauchbar. Ein neugieriger kleiner Eisberg umrundet langsam unsere vor Anker liegende „Brigantia“, berührt sie aber nicht.Für Fotoaufnahmen nähern wir uns respektvoll der Gletscherzunge des Kangerdluk, einem Ausläufer des Grönlandeisschildes. Wir nutzen dazu zusätzlich das Dingi. Selbst im Abstand von mehr als einer Meile wirkt die zerklüftete Abbruchkante auf den Skipper bedrohlich. Die Mannschaft findet den Gletscher mit seiner Abbruchkante beeindruckend, erhaben, faszinierend schön und sehr fotogen.

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Bild 9: Bernhard Studer

Wir passieren die Wetterstation an der Ostausfahrt des Sundes und fahren in die Dänemark-Straße.
Die Ausfahrt ist eisfrei, jedoch liegen nördlich und südlich riesige Eisberge wahrscheinlich auf Grund. Ab jetzt melden wir uns im Abstand von 4 Stunden bei der Grönländischen Küstenwache per Mail.
Eine merkwürdige Erscheinung vermittelt uns den Eindruck, auf ein Eisfeld zuzufahren. Wir nähern uns, die Erscheinung verschwindet und wir bekommen Nordwind. Unter Genua laufen wir etwas mehr Höhe, als wir für unseren Kurs nach Reykjavík benötigen.
Die „MS Hamburg“, ein großer Kreuzfahrer mit Kurs auf den Sund, fragt uns nach der Eissituation. Sie hat unseren Kurs auf ihrem AIS verfolgt. Sie warnt uns vor Böen bis 60kn und erklärt uns, dass unser Weg eisfrei sei. Wir können also auch nachts sicher fahren.
Der Wind legt zu, mit Fock und 2. Reff halten wir Kurs, die See wird sehr rau. Rasmus fordert und erhält seine Opfer, wir segeln zügig gegenan. Es ist nicht mehr komfortabel. Noch können wir Reykjavík direkt ansteuern.
Wir erhalten bedrohliche Wetterberichte.

Wenn wir uns beeilen, können wir unser Ziel kurz vor dem großen Sturm erreichen. Wir nehmen die Maschine dazu. Der Komfort sinkt noch weiter.
Alternativ wäre es möglich und auch angenehmer gewesen, im Süden von Island die Westmänner-Inseln anzulaufen. Diese Überlegung haben wir verworfen, da nicht sichergestellt ist, ob wir dann rechtzeitig zum Übergabetermin in Reykjavík sein können.
Nach 5 Nächten und 6 Tagen auf See erreichen wir bereits mit den ersten Ausläufern des Sturms Reykjavík. Wir haben die Küstenwache frühzeitig per Mail und auch per UKW über unsere Ankunft informiert. Sofort können wir alle Formalitäten erledigen und uns danach frei auf der Insel bewegen.

Wir haben als Crew in bester Atmosphäre ind Zusammenarbeit die anstrengende Überquerung der Dänemark-Strasse gemeistert.

Leztlich ist es egal, was man unternimmt. Wichtig ist, mit wem man es tut.

Friedhelm Schumacher